Große Ereignisse wie die erste Bundestagswahl vor 6o Jahren am 14. August 1949 hinterlassen auch in damals kleinen Dörfern bis heute Spuren. So auch in Ittenbach. Nicht nur wegen des die Bundesrepublik prägenden Beginns der Ära Adenauer, sondern auch für die lokale Geschichte.
Zumal wenn ein Dorf wie Ittenbach das Glück hat, dass ein geschichts- und po- litikbewusster Hauptlehrer in jener historischen Zeit die Schulchronik führte. Es war Harry Schillings, der aus Berlin über Orscheid am 1. August 1948 nach Ittenbach gekommen war. Der General- Anzeiger hat ihn schon einmal zitiert in seiner Serie zum 60. Geburtstag der Bundesrepublik am 23. Mai 1949, weil der Lehrer unter damals schwierigen Bedingungen mit seinen Schülern nach Bonn zur Verkündung des Grundgesetzes gefahren war. Diesmal geht es um die erste Bundestagswahl.
Auch die hat Schillings genau regi- striert, im Blick auf den Bund und Ittenbach. Das Dorf unterschied sich damals und heute deutlich vom Rest der Republik. Denn die katholische Prägung ist nicht überall so stark wie hier. Das zeigte sich schon bei der Gemeinderatswahl am 18. Oktober 1948, die Schillings getreu festhielt: „In Ittenbach bewarben sich nur Kandidaten der CDU und des Zentrums.
Gewählt wurden 5 Vertreter der CDU und 3 des Zentrums.“ Bei der ersten Bundestagswahl am 14. August 1949 war das Ergebnis schon vielfältiger, aber dennoch anders als der allgemeine Trend. Im Bund wurde die CDU/CSU stärkste Kraft mit 139 Abgeordneten, gefolgt von der SPD mit 131, der FDP mit 52, der Deutschen Partei mit 17, der KPD mit 15, der katholischen Zentrumspartei mit 10, der Deutschen Rechtspartei (DRP) mit 5 und weiteren für das Rheinland unerheblichen Kräften wie der Bayernpartei, die immerhin in Konkurrenz zur CSU 17 Abgeordnete stellte.
Anders in Ittenbach. Schillings klare Handschrift hält fest: Wahlbeteiligung 84 Prozent. CDU 587 Stimmen, SPD 97, FDP 152, KPD 24, DRP 16, Zentrum 48. Die CDU also noch eindeutiger als heute die stärkste Kraft, gefolgt von der FDP. Schillings setzt seine Chronik als Folge dieser ersten Bundestagswahl mit den Eintragungen zur Wahl des ersten Bundespräsiden Theodor Heuss und des ers- ten ersten Kanzlers Konrad Adenauer fort und stellt fest, dass mit beider Wahl „unser Staatswesen endlich ein Gesicht bekommt und aktionsfähig wird“. Er freut sich: „Die Anteilnahme der Bevöl- kerung war wesentlich größer als bei der Ausrufung der Bundesrepublik. Ich wäre mit meinen Kindern gern nach Bonn gefahren, aber die erste Anspra- che des Präsidenten an das Volk auf dem Marktplatz in Bonn lag leider in den Abendstunden.“
Schillings als gesamtdeutscher Patriot notiert aber auch am 7. Oktober 1949 die Ausrufung der DDR als „Gebilde, das ganz unter russischem Einfluss steht.“ Die DDR-Gründung als Reaktion auf die Bundesrepublik? So empfanden es damals viele. Dennoch setzt Schillings darauf, was erst 40 Jahre später, 1989/90 mit DDR-Wende und Wiedervereinigung, Wirklichkeit wurde: „Damit ist die Tren
nung zwischen Ost- und Westdeutsch- land scheinbar vollendet, und es ist nicht abzusehen, wann wir wieder ein einziges Deutschland werden. Trotzdem geben wir die Hoffnung nicht auf.“ Die Hoffnung ging tatsächlich in Erfüllung. Deshalb ist die Ittenbacher Schulchronik ein Zeugnis für ein in der deutschen Geschichte glückliches Doppel- Jubiläum 2009: 60 Jahre Gründung der Bundesrepublik und 20 Jahre Fall der Grenzen und Mauern in Deutschland und Europa.
Text: Aus der Chronik des Hauptlehrers Schillings / Von Helmut Herles